Eine Frage der Exzellenz?

Kommunikation über die Notwendigkeit öffentlicher Finanzierung von klassischer Musik untersucht mit Methoden der hermeneutischen Sozialforschung am Beispiel eines Po­sitionspapiers des Musiker:innen-Berufsverbands unisono

1. Einleitung

Wird in den Medien von klassischer Musik gesprochen, scheint dies nicht selten in einem Ton der Besorgnis oder des Bedauerns zu geschehen. Diese Musikrichtung sei von Relevanzver­lust und Publikums­schwund betroffen: Das klassische Konzert sei eine „aussterbende Gat­tung“ (Trölen­berg, 2024), eine „weitere Schrumpfung“ der „Orches­terlandschaft“ in Deutsch­land sei ab­sehbar (Werner-Jensen, 2019, S. 12), jüngere Generationen interessierten sich zu großen Tei­len „gar nicht oder weniger stark“ für klassische Musik (Liz Mohn Center, 2023).
Klassische Musik in Deutschland ist jedoch nicht allein auf die Nachfrage durch das Publi­kum angewiesen, sondern scheint zusätzlich in hohem Maß von öffentlicher Förderung ab­hängig zu sein. Angefangen bei den Musikschulen, deren Etats oft zu mehr als der Hälfte aus öffentlichen Geldern bestehen (Deutsches Musikinformations­zentrum, 2023), über Musik­hochschulen, die für ihre Studierenden vergleichsweise hohe Pro-Kopf-Beträge aufwenden müssen (Statistisches Bundesamt, 2024a, 2024b), bis hin zum professionellen Ausüben des Musiker:innenberufs: nach dem Studi­um arbeiten die ausgebildeten Instrumentalmusiker:in­nen in der Regel in einem der 129 öf­fentlich finanzierten Orchester oder unterrichten an einer der ebenfalls öffentlich finanzierten Musikschulen oder Hochschulen; auch freie Ensembles, die selbstständige Musiker:innen be­schäftigen, sind häufig öffentlich gefördert (Mertens, 2025).
Wenn nun davon ausgegangen werden muss, dass das Interesse an klassischer Musik tat­sächlich tendenziell sinkt, so erscheint es fraglich, ob diese öffentliche Förde­rung auch in Zu­kunft immer gewährleistet sein wird. Ein gewisser Rechtfertigungsdruck scheint schon seit einigen Jahrzehnten insbesondere auf einer bestimmten Art von Berufsorchestern zu lasten: den Rund­funkorchestern. Neben vier Bigbands und sieben Chören gibt es in Deutschland im Jahr 2025 elf Orchester in Trägerschaft der Rundfunkanstalten (Mertens, 2025). Diese unter­scheidet von anderen öffentlich geförderten Ensembles, dass sie über das Solidarmodell des Rundfunkbeitrags (Solidarmodell, o. J.) mitfinanziert werden. Der Rundfunkbei­trag stellt für die meisten Menschen in Deutschland eine regelmäßige verpflich­tende Ausgabe dar und wird immer wieder grundsätzlich hinterfragt (Bundeszentrale für politische Bildung, 2025). Die Anzahl der Rundfunkorchester hat über die Jahrzehnte hinweg abgenommen (Mertens, 2025; Werner-Jensen, 2019, S. 19), zudem werden regelmäßig Zweifel an der Notwendigkeit einer ver­gleichsweise hohen Anzahl an Rundfunkklangkörpern in Deutschland geäußert (Bundes­zentrale für politische Bildung, 2025; Lautenschläger, 2010; Die ARD soll auf ihre Rund­funkorchester verzichten, 2003).
Um die Rundfunkorchester, aber auch den Bereich der klassischen Musik im Allgemeinen, vor möglichen finanziellen Einschnitten zu schüt­zen, erscheint eine breite Akzeptanz der Wichtigkeit von klassi­scher Musik in Politik und Ge­sellschaft vonnöten. Trölenberg schreibt diesbezüglich: „Die größte Gefahr derer, die profes­sionell Kultur managen oder Konzerte ge­stalten, ist es, von sich selbst auf andere zu schlie­ßen“ (Trölenberg, 2024) und zitiert Müller-Brozovic: „es braucht die Einsicht, die eigene Vor­eingenommenheit so­wie Vorurteile zu er­kennen und vorbereitete Konzepte hinter sich zu las­sen“ (Müller-Brozo­vic, 2023, S. 222). Nehmen Musiker:innen und Kulturschaffende im Be­reich der klassischen Musik die Wichtig­keit ihrer Tätigkeit für selbstverständlich und vergessen darüber, dass diese in großen Teilen der Gesellschaft durchaus hinterfragt wird?
Dieser Frage soll sich in der vorliegenden Arbeit angenähert werden, indem Argumentati­onsmuster in einem speziellen Fall betrachtet werden, in dem Musiker:innen der Rundfunk­klangkörper, vertreten durch ihren Berufsverband, sich selbst zu ihrer Tätigkeit äußern und für den Erhalt ihres Berufs einstehen. Dabei soll untersucht werden, welche Begründungen für die Wichtigkeit des Erhalts der Klangkörper gegeben werden, ob dabei von gewis­sen Vor­aussetzungen ausgegangen wird, die möglicherweise zu hinterfragen wären, und ob bzw. wie der grundsätzliche Wert klassischer Musik thematisiert wird.

2. Wahl des Forschungsmaterials

Das Positionspapier der Deutschen Musik- und Orchestervereinigung unisono mit dem Ti­tel „#WirSindKulturauftrag“ wurde im Mai 2023 veröffentlicht. Damit, so eine Pressemittei­lung, „positioniert der Ver­band die Rundfunkklangkörper in der Debatte um Auf­trag und Fi­nanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ (unisono, 2023). Das Papier gibt also den Stand­punkt und die Meinun­gen der Mitglieder der Rundfunkklangkörper und ihrer Vertreter:innen wieder und beschreibt zu deren Untermauerung „wichtige Fakten, Alleinstel­lungsmerkmale und herausragende kul­turelle Aktivitäten“ der Klangkörper (unisono, 2023). Da unisono nicht nur die Mitglieder der Rundfunkklangkörper, sondern aller professionellen Orchester in Deutschland vertritt (uniso­no, o. J.), könnte das Positionspapier Schlüsse auf den allgemeinen Stand der Debatte um die Notwendigkeit der Förderung klassischer Musik zulas­sen.
Für diese Arbeit wurde ein Teil aus dem genannten Positionspapier ausgewählt, der auf kompaktem Raum verschiedene Argumentationsmuster enthält. Teile des Po­sitionspapiers, in denen vorrangig Beispiele erläutert werden, wurden außen vor gelassen.

3. Methode

In der vorliegenden Arbeit wird eine Äußerung einer bestimmten Personengruppe unter­sucht: ein von Berufsmusiker:innen in Rundfunkklangkörpern bzw. deren Vertreter:innen verfasstes Positionspapier. Bei dieser Personengruppe kann davon ausgegangen werden, dass sie eine gewisse Lebenspraxis teilt, die aus dem Ausüben des Berufs und der langjährigen Vorberei­tung auf diesen Beruf er­wächst. Die objektive Hermeneutik untersucht, um sich einer Lebens­praxis analytisch annähern zu können, Protokolle, die zwar einer einer anderen kategorialen Welt angehören als die sinnstrukturierte Wirklichkeit, jedoch die einzige Möglichkeit darstel­len, einen „wissenschaftlichen Zugang zur sinnstrukturierten Welt“ zu erschließen (Wagner, 2001, S. 89). In dieser Arbeit wird mit dem Positionspa­pier als Protokoll der Lebenspraxis der Musiker:innen und ihrer Vertreter:in­nen gearbeitet.
Eine von mehreren Subjekten geteilte Lebenspraxis korrespondiert nach der objekti­ven Hermeneutik intersubjektiv geteilten Sinnstrukturen, aus denen sich verschiedene Optio­nen für soziales Handeln ableiten, zwischen denen die Subjekte entscheiden.

Die Objektive Hermeneutik geht davon aus, dass die Handlungsoptionen einer je konkreten Lebenspraxis durch Regeln formuliert sind. Welche Möglichkeiten vor­liegen und welche Folgen welche Möglichkeiten zeitigen, darüber befindet nicht die Handlungspraxis, sondern darüber hat die Welt der sozialen Regeln schon vor­gängig befunden. Welche der durch Regeln eröffneten Handlungsoptionen rea­lisiert wird; das entscheiden nicht die Regeln, sondern die Fallstruktur. (Wernet, 2009, S. 15)

Entsprechend ist es ein Ziel dieser Arbeit, die spezifische Struk­turiertheit der Lebenswelt der Musiker:innen zu rekonstruieren, um zu verstehen, warum be­stimmte Argumentationsweisen im Positionspapier gewählt oder auch nicht gewählt wurden. Während es nach der objektiven Hermeneutik Regelkomplexe gibt, die universelle Gültig­keit beanspruchen dürfen, wie etwa die Regeln allgemeiner sprachlicher Kompetenz, existie­ren auch

Regeln mit geringer Reichweite (z.B. milieuspezifische Nor­men) und von u. U. nur sehr kurzer Lebensdauer […] In dem Maße, in dem die Allgemeinheit und Reichweite der in Anspruch genom­menen Regeln abnimmt, kann sich selbstver­ständlich das Problem stellen, dass wir über diese Regeln nicht hinreichend und gesichert verfügen. Im Einzelfall wird es also zu einer Überprüfung der Unterstel­lung der Geltung der in Anspruch genomme­nen Regeln kommen müssen. (Wer­net, 2009, S. 14)

So soll auch im vorliegenden Fall untersucht werden, ob der Berufsverband sich – implizit oder explizit – auf Regelkomplexe stützt, die einer größeren Allgemeinheit mögli­cherweise nicht selbstverständlich sind.
Entsprechend dem Verfahren der objektiven Hermeneutik ist das Vorgehen in dieser Ar­beit rekonstruktionslogisch: „Ziel der Rekonstruktionslogik ist es, methodisch die Sache selbst so zum Sprechen zu bringen, dass sie durch ihre eigenen Strukturgesetzlichkeiten ant­wortet“ (Wagner, 2001, S. 95).
Der Niederschrift dieser Hausarbeit ist eine ausführlichere Feinanalyse vorausgegangen, unter anderem mit dem Zweck, den Einfluss von etwaiger Voreingenommenheit durch bio­grafisch bedingte enge Vertrautheit mit dem Gegenstand des Positionspapiers und der Le­benspraxis der Verfasser:innen zu minimieren. Es folgt zunächst eine Zusammenfassung der Feinanalyse, deren voll­ständige Wiedergabe den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde.

4. Untersuchung des Materials

Die Zwischenüberschrift, mit der der ausgewählte Ausschnitt des Positionspapiers beginnt, enthält zwei Begriffe, die im Text häufiger vorkommen und deshalb genauere Betrachtung verdienen: „Kultur- und Bildungsauftrag“. Der Begriff „Kultur“ bleibt im Positionspapier un­definiert. Es könnte einerseits eine Gesamtheit von menschlichen Lebens- und Äußerungs­weisen gemeint sein, zu denen Sprache, Bräuche, Feste, Künste und weiteres zählen; anderer­seits könnte „Kultur“ ein Prädikat für etwas sein, für das sich kultivierte, gebildete Menschen interessieren, etwa wenn die Rede von „Hochkultur“ ist. „Bildung“ ist ebenfalls ein Schlag­wort, das häufig fällt, aber selten klar defi­niert wird. Et­was zu „bilden“ bedeutet im eigentli­chen Sinn, etwas zu formen, herzustellen. Das Substantiv „Bildung“ kann eine For­mung von Menschen beschreiben, indem sie mit Wissen angereichert werden. Analog zu Kultur kann auch Bildung als Anzeichen für einen so­zialen Status aufgefasst werden: „gebildete Leute“ stehen im Gegensatz zu „Ungebildeten“. Die Verbindung dieser beiden noch nicht definierten Begriffe mit „-auftrag“ lässt vermu­ten, dass irgendjemandem eine Aufgabe gegeben wurde. Ein Auftrag kann eine Verantwor­tung implizieren; zu fragen wäre, ob der Auftrag irgendwann erfüllt sein wird und damit ab­geschlossen werden kann.
Bezüglich des Zusatzes in der Überschrift „– gerade während der Pandemie“ kann auf­grund der Datierung des Papiers im Jahr 2023 davon ausgegangen werden, dass die damals abflauende Corona-Pandemie gemeint ist, die in fast allen Lebensbereichen zu starken Ein­schnitten geführt hat. Das „gerade“ scheint eine Art trotzige Haltung zu beschreiben, die sich gegen einen Widerstand richtet. Offenbar stand während der Pandemie etwas dem Kulturauf­trag entgegen.
Auch der erste vollständige Satz beginnt mit Begriffen, die häufig im Text auftauchen: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk“. Öffentlich ist etwas, das offen, zugänglich für alle, eventuell auch repräsentativ für ein Kollektiv ist. Der Zusatz „rechtlich“ drückt aus, dass et­was hier einem Recht folgt, einer positivierten gesellschaftlichen Ordnung. „Rechtlich“ könn­te auch ausdrücken, dass etwas juristisch abgesichert ist und nach einem gewissen Regelkom­plex als richtig bewertet wird. Der Rundfunk besteht aus den Medien Radio und Fernsehen, die zugänglich für alle Men­schen sind, die ein Empfangsgerät besitzen.
Der folgende Satzteil führt einen weiteren häufig wiederholten Begriff ein: den Klangkör­per. Ein Körper ist zunächst jedes physische Objekt, ein Klangkörper könnte beispielsweise eine Orgelpfeife sein, in der ein Klang entsteht. Im Kontext des Positionspapiers kann davon aus­gegangen werden, dass mit Klangkörpern die Ensembles der Rundfunkanstalten gemeint sind. Es handelt sich also um „Körper“, die wiederum aus menschlichen Körpern bestehen, welche sich im Akt des Musizierens zu einer Einheit zusammenfügen. Im menschlichen Kör­per wie im Rundfunk-Klangkörper ergeben einzelne Teile ein Ganzes, der Körper äußert sich, bewegt sich, lebt; im Vergleich zu unbelebten physikalischen Gegenständen sind lebendige menschliche Körper auch vulnerabler.
Der eröffnende Satz trifft nun eine Aussage über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Klangkörper: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist mit seinen Klangkörpern ein originärer Kulturproduzent“. „Originär“ drückt aus, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk etwas erschafft, etwas Neuartiges hervorbringt: er produziert Kultur. Während „produzieren“ als synonym zu „er­schaffen“ verstanden werden kann, enthält das Wort „Produzent“ doch auch eine Verbindung zu den Sub­stantiven „Produkt“ und „Produktion“. Ein Produkt kann schlicht das Ergebnis einer Produk­tion im Sinne eines Schaffensprozesses sein, jedoch sind diese Begriffe auch mit Fabriken, Fließbändern, Massenanfertigung und gegenständlichen Waren assoziiert. Der bis hierhin un­definierte Begriff „Kultur“ erscheint in Verbindung mit „-produzent“ als Produkt, als etwas Hergestelltes im ursprünglichen Wortsinn, aber auch als Ware in Begriffen einer politischen Ökonomie. Der Satz besagt also über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass er mittels seiner Klangkörper Kultur produziert – ist Kultur posi­tiv konnotiert, so ist es auch der Rundfunk; Gleiches gälte für eine negative Konnotation. Die Nennung der Klangkörper in diesem Kon­text suggeriert eine besondere Rolle derselben bei der Kulturproduktion des Rundfunks.
Laut dem folgenden Halbsatz „bilden“ die Klangkörper den „Kern“, das Inners­te, das Herz „des Kulturauftrags“. Die Bedeutung des Begriffs „Kulturauftrag“ wird auch hier nicht näher erklärt. Der zweite Satzteil, „in Deutschland beginnend mit dem Jahr 1923 und bis heute“, benennt auf den ersten Blick schlicht einen Fakt; da es sich bei der Publikation jedoch um ein Positionspapier handelt und nicht etwa um eine Informationsbro­schüre, könnte dieser Aussa­ge mehr als der Zweck der Information zugrunde liegen. Denkbar wäre, dass die Autor:innen des Papiers mit der Angabe der Jahreszahl zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klangkör­per schon seit langer Zeit den Kern des Kulturauftrags bilden. In diesem Fall liegt der Schluss nahe, dass diese lange Zeitspanne der Rolle der Klangkörper ei­nen besonderen Wert verleiht: den einer Tradition oder eines Verdienstes, eines Durchhalte­vermögens, das es zu honorieren gilt. Auch der Zusatz „in Deutschland“ könnte lediglich eine Information darstellen – er könnte jedoch auch so gemeint sein, dass spezifisch in Deutschland im Jahr 1923 etwas be­gonnen hat, das in anderen Ländern nicht oder erst später begonnen hat. In diesem Fall würde eine Besonderheit der Nation Deutschland hervorgehoben, etwas, wobei die Nation mögli­cherweise eine Vorreiterrolle eingenommen hat und auf das sie aus diesem Grund stolz sein oder acht geben könnte.
Der folgende Satz, „Weitere Einschränkungen und Kürzungen bei den Rundfunkorches­tern, bei den Chören und Bigbands verbieten sich auch aus weiteren grundsätzlichen Erwä­gungen“, enthält eine Auflistung der Ensembles, die zuvor unter dem Begriff „Klangkörper“ zusammengefasst wurden. Dass von „weiteren“ Einschränkungen die Rede ist, impliziert, dass es bereits Einschränkungen gegeben hat. Eine „Einschränkung“ enthält das Bild einer Schranke und damit einer Begrenzung der Bewe­gungsfreiheit. „Kürzungen“ bedeuten, dass etwas abgeschnitten, ab- oder weggenommen wird. Was eingeschränkt wird oder werden könnte – die Freiheit in der Programmplanung – und was gekürzt wurde oder werden könnte – finanzielle Mittel, Stellen – wird an dieser Stelle nicht ausgeführt. Der Akt des Verbietens geht üblicherweise von einem mit Macht ausgestatteten Subjekt oder einer Regel aus; hier „verbieten sich“ Einschränkungen und Kürzungen jedoch selbst. Dass kein Bezug auf eine externe verbietende Instanz genommen wird, scheint zum Ausdruck zu bringen, dass alle Le­senden bei genauer Betrachtung des Sachverhalts zu dem Schluss kommen müssten, weitere Einschränkungen und Kürzungen dürften nicht erlaubt werden. Dass dies „auch aus weiteren grundsätzlichen Erwägungen“ (Hervorhebung K.C.) folge, suggeriert, dass bereits Gründe dafür genannt wurden, warum weitere Kürzungen und Ein­schränkungen unzulässig wären. Als solche Gründe scheinen nur die im vorigen Satz ge­nannten Fakten über die Rundfunk­klangkörper infrage zu kommen.
Als weiterer Grund wird nun „auch“ die „Aufnahme der deutschen Orchester- und Thea­terlandschaft“, als deren Teil die Rundfunkklangkörper impliziert sind, in das immaterielle Kulturerbe der UNESCO genannt – warum die Rundfunkorchester dabei nicht nur einer unter vielen, son­dern ein „wichtiger Bestandteil“ seien, wird nicht erklärt. Der Begriff „Erbe“ ver­weist einerseits auf eine Tradition, aber auch auf einen Prozess des „Vererbens“, der an eine Familie oder Verwandtschaft denken lässt. In der Unterscheidung, wer Träger:in eines „Erb­guts“ ist und wer nicht, ist auch ein Ausschluss enthalten.
Der folgende Satz wiederholt in Teilen etwas bereits Gesagtes, enthält erneut die Metapher des Kerns – in Verbindung mit dem zuvor aufgekommenen Begriff des Erbes kann der Kern auch als Träger von Erbgut verstanden werden. Der bereits in der Überschrift erwähnte Kul­tur- und Bildungsauftrag wird hier „verfassungsrechtlich und medienpolitisch fixiert[]“ ge­nannt. Die Verfassung hat in Deutschland historisch und rechtlich einen hohen Stellenwert, der sich in den Augen der Verfasser:innen auf den Kultur- und Bildungsauftrag und damit auf dessen Beauftragte, die Rundfunkanstalten und ihre Klangkörper übertragen mag. Zusätzlich ist der Auftrag „medienpolitisch“ – und somit nicht nur durch ein feststehendes Gesetz (das Recht), sondern auch durch wiederholtes zwischenmenschliches Aushandeln (die Politik) – festgeschrieben.
Im folgenden Satz wird den Lesenden zunächst eine Aufzählung dessen präsentiert, womit Rundfunkklangkörper den „Auftrag“ – hier ist wohl der Kultur- und Bildungsauftrag gemeint – „wahrnehmen“: mit „Live-Auftritten, Konzerten, Produktionen, Projekten und sonstigen Angeboten“. Dabei erscheinen die Begriffe „Live-Auftritte“ und „Konzerte“ deckungsgleich; „Projekte“ und „sonstige Angebote“ bleiben gleichermaßen unterbestimmt und hätten ver­mutlich unter dem Begriff „Sonstiges“ zusammengefasst werden können. Die lange Aufzäh­lung soll womöglich den Eindruck einer Masse von verschiedenen Aktivitäten erzeugen – die Verfasser:innen wollen vielleicht zum Ausdruck bringen, dass die Klangkörper eine große Zahl von wichtigen Dingen tun.
Die Klangkörper treten hier als aktiv Handelnde in Erscheinung: sie „nehmen“ den Auf­trag „wahr“, sie beugen sich nicht einfach einer Pflicht. Und sie bezwecken offenbar etwas damit: sie nehmen den Auftrag wahr, „um“, also mit der Absicht, „barrierefrei für alle Bevöl­kerungsgruppen zugänglich und erfahrbar zu sein“. Dies verweist auf einen höheren Sinn hinter dem Kultur- und Bildungsauftrag – die Erfüllung des Auftrag ist nicht das Endziel, sondern das „(dar)um“: barrierefrei für alle zugänglich und erfahrbar sein. Die Klangkörper handeln laut der hier gewählten Formulierung im Wissen um das Bestimmungsziel des Auf­trags. Da­bei wird hier noch keine Aussage über das Gelingen getroffen, sondern zunächst über die Motivation: die Klangkörper nehmen den Auftrag wahr und verstehen auch das Ziel dahinter. Fraglich bleibt, von welchen „Barrieren“ hier die Rede ist und wie die Rundfunk­klangkörper sich oder andere davon „befreien“. Hier könnte auch die Frage anschließen, war­um „alle Be­völkerungsgruppen“ als Zielgrup­pe genannt werden. Möglicherweise ist dies eine vorweg­nehmende Abwehr des Vorwurfs des Elitarismus und der Abgehobenheit, der der klas­sischen Musik und auch dem Jazz mitunter ent­gegenschlägt, dass sie also nur für manche Be­völkerungsgruppen zugänglich und erfahrbar seien.
Der nächste Satz beginnt mit einer Aufzählung von Formen und Orten, in und an denen Rundfunkensembles auftreten: „in großer Besetzung oder kleinen Formationen im Sendege­biet, darüber hinaus oder bei Musikfestivals“. Klangkörper haben offenbar etwas wie eine Heimat, das Sendegebiet der jeweiligen Rundfunkanstalt, die sie aber auch verlassen. Warum Musikfestivals gesondert erwähnt werden, ist fraglich – viel­leicht haftet den Musikfestivals ein besonderes Prestige an, das die besondere Erwähnung in den Augen der Verfasser:innen rechtfertigt.
Die Ebene der Akteur:innen verschiebt sich nun vom Kollektiv des Ensembles auf „die Mitglieder“, die bei den Auftritten etwas „repräsentieren“, also für etwas stehen, etwas vertre­ten: nämlich „nicht nur ihr Ensemble“, also die größere Einheit, dessen Teile sie sind, „son­dern ‚ihre‘ Anstalt“. Mit der „Anstalt“ könnten Leser:innen etwas wie eine Psychiatrie ver­binden, aber die Verfasser:innen scheinen zuversichtlich, dass aus dem Kontext heraus auf die Rundfunkanstalt geschlossen werden kann. Die Anführungszeichen um das Wort „ihre“ zei­gen hier vermutlich kein direk­tes Zitat an, denn es wird kein Urheber genannt, sondern sind wohl ein Anzeichen für saloppe Formulierung, da die Anstalt den Mitgliedern der Klangkör­per nicht wirklich gehört. Tatsächlich ist die jeweilige Rundfunkanstalt „ihre“ Anstalt im Sin­ne von „ihrem“ Arbeitgeber – eine Formulierung, die keine Anführungszeichen benötigt hät­te. Vielleicht soll durch die hier gewählte Kombination „‚ihre‘ Anstalt“ eine außergewöhnli­che Identifikation der Klangkörper-Mitglieder mit dem Arbeitgeber gebracht werden, die über das übliche Maß hinausgeht.
Der folgende Satz enthält eine qualitative Aussage über „die Klangkörper und ihre Mit­glieder“, die mit einem sprachlichen Bruch verbunden ist: „sind authentische und sympathi­sche ‚Markenbotschafter‘ der Rundfunkanstalten“. Eine Marke kann als ein Symbol, ein Zei­chen verstanden werden, das mit einem Qualitätsversprechen verbunden ist, für Waren ei­ner bestimmten Preisklasse oder für einen besonderen Stil steht. Dabei wird angenommen, dass die Symbolik einer Marke von den meisten Menschen verstanden wird. Die häufige Assozia­tion der Marke mit Waren verweist auf die Sphäre der Wirtschaft, des Warentauschs, des Gel­des. Ein Botschafter ist ein Überbringer (einer Nachricht) oder ein Repräsentant (ei­nes Staa­tes), ein Ansprechpartner für Angelegenheiten (des betreffenden Staates) – ein Markenbot­schafter wäre analog dazu ein Repräsentant der Marke, Ansprechpartner für Fragen zur Mar­ke, der symbolisch für Qualitäten der Marke steht und eine gewisse Verantwortung für die Prä­sentation der Marke in der Öffentlichkeit trägt. Die Anführungszeichen um „Markenbot­schafter“ könnten ausdrücken, dass die Verfasser:innen den Begriff für salopp oder dem Ge­genstand nicht vollständig angemessen halten, oder dass die Bezeichnung aus ursprünglich anderen Bedeutungszusammenhängen entlehnt wurde – dass der Begriff „Mar­kenbotschafter“ verwendet wird, obwohl eine Rundfunkanstalt keine Marke ist, obwohl der Begriff „Marke“ gemeinhin mit dem privatwirtschaftlichen Sektor in Verbin­dung gebracht wird, während im Positionspapier die Finan­zierung einer öffentlichen Institution durch einen Solidarbeitrag ver­teidigt werden soll. Dass die Klangkörper und ihre Mitglieder als Marken­botschafter „authen­tisch“, also echt, unverfälscht, original, und „sympathisch“ seien, schreibt ihnen positiv kon­notierte Qualitäten zu, ohne zu erklären, woran dies festgemacht wird oder wer dies befunden hat.[1]
Auch der folgende Satz wartet mit Anführungszeichen auf: „Sie sind quasi ‚Rundfunk zum Anfassen‘“. Die Klangkörper bestehen aus ihren Mitgliedern, aus Menschen aus Fleisch und Blut, die man tatsächlich anfassen könnte. Die Einschränkungen durch das „quasi“ und die Anführungszeichen beziehen sich also nicht auf die Möglichkeit des Anfassens, denn diese ist theoretisch gegeben, sondern auf die Identifikation der Menschen mit dem Rundfunk, der Einzelteile mit dem Ganzen: die Mitglieder sind nicht wirklich, aber „quasi“ der Rundfunk. Die Formulierung „Rundfunk zum Anfassen“ setzt sich erneut stilistisch von der in den ersten Sätzen ab: es werden keine Fakten aufgezählt, sondern vielmehr ein sensorisches Erlebnis versprochen – diese Wendung könnte auch einem Werbeslogan entstammen. Mit diesem und dem vorigen Satz verlässt der Text scheinbar die Ebene von Staat, Gesetz, Recht und scheint die Rundfunkklangkörper nun wie ein Produkt oder eine Dienstleistung anzupreisen.
Im folgenden Satz wird behauptet, die Rundfunkklangkörper hätten etwas Einzigartiges geleistet. Ob sie wirklich „die einzigen“ waren „die – zwar ohne Live-Publikum, aber über ihre Auss­pielwege aus Studios und Sendesälen – so etwas wie eine musikalische Grundver­sorgung der Bevölkerung bis hin zu Musikunterricht aufrechterhalten haben“, müsste über­prüft werden. Jedenfalls scheint erscheint es den Verfasser:innen wichtig zu sein, eine Einzig­artigkeit in einem gewissen Gebiet herauszustel­len. Zugrunde liegt vielleicht die Vorstellung, Einzigartiges/Besonderes sei per se erhaltens- und un­terstützenswert, vielleicht aber auch der Gedanke einer besonderen Leistung gegen Widerstände, die gewürdigt werden und nicht durch Kürzungen von Mitteln oder Einschränkungen bestraft werden sollte. Das „zwar“ scheint auf einen Mangel hinzudeuten: etwa in dem Sinne, dass es auch für ei­nen Rundfunk­klangkörper unüblich ist oder nicht seinem Anspruch entspricht, etwas „ohne Live-Publikum“ zu tun. Das „aber“ entkräftet die Einschränkung des „zwar“: etwas war nicht möglich, „aber“ es wur­de eine andere Lösung oder ein Umgang damit gefunden. Diese Lösung lag in den „ Auss­pielwege[n] aus Studios und Sendesälen“, über die der Rund­funk verfügt: verschiedene Routen, die das Produkt Musik zu den Empfänger:innen nehmen kann. „Studios und Sende­säle“ sind nicht in erster Linie für Live-Publikum konzi­piert, son­dern für Aufzeichnung oder Live-Ausstrahlung, also dafür, dass dort entstandene Musik an anderem Ort und ggf. auch zu anderer Zeit gehört wird; die Rundfunkklangkörper haben hier schon durch räumliche Grund­voraussetzungen die Möglichkeit, Zuhörer:in­nen auf ande­rem Wege zu erreichen als Opern- und Konzertorchester. Es handelt sich also um eine Besonderheit der Rundfunkklangkörper im Vergleich zu an­deren Ensembles, die ihnen während einer Krisensituation (der Corona-Pandemie) ermöglicht oder erleichtert hat, „so etwas wie eine musikalische Grundversorgung der Bevölkerung […] aufrecht[zu]erhalten“. Der Begriff „Grundversorgung“, das Zur-Verfü­gung-Stellen einer Ba­sis von wichtigen Dingen, lässt für sich genommen zunächst an überle­benswichtige Dinge wie Nahrung, Strom, Heizung, medizinische Versorgung denken – viel­leicht haben die Ver­fasser:innen deshalb die Einschränkung „so etwas wie“ vorangestellt, denn Musik ist für Men­schen nicht im engeren Sinne überlebenswichtig. Die von den Rund­funkklangkörpern geleistete Grundversorgung erhält noch eine Spezifikation: „bis hin zu Mu­sikunterricht“. Durch die Formulierung „bis hin zu“ entsteht das Bild einer Reihe von Din­gen, die fortschrei­tet bis zu einem bestimmten Punkt, der am weitesten vom Start entfernt ist – in diesem Fall der „Musikunterricht“: die Klangkörper gehen sogar so weit, machen den zu­sätzlichen Auf­wand, über­schreiten ihr übliches Aufgabengebiet, (so)dass sie Musikunterricht anbieten kön­nen. In welcher Form die Klangkörper „über ihre Ausspielwege“ Musikunter­richt gegeben haben, wird hier nicht genauer erklärt. Vielleicht hielten die Verfasser:innen des Positionspapiers die Erwähnung dennoch für notwendig, weil sich der „Kultur- und Bildungs­auftrag“ als wichtiger Begriff durch das Papier zu ziehen scheint. Bil­dung findet oft in Form von Unterricht statt, Bildung lässt an positiv besetzte Begriffe wie Lernen, Verbessern, Fort­schritt denken; die Assoziation der Schule bezieht auch an Kinder mit ein – vielleicht soll das Positionspapier den Eindruck erwecken, auch das Wohlergehen der jüngsten Mitglieder unse­rer Gesellschaft läge den Rundfunkklang­körpern am Herzen, um den Eindruck zu stärken, es handle sich um engagierte, pflichtbewusste und auch „sympathi­sche“ Akteur:innen.
In den nachfolgenden beiden Sätzen wird ein Beispiel geliefert: „Der MDR-Chor z.B. war in dieser Zeit – coronakonform – in mehreren Gesangsquartetten in den drei Bundesländern seines Sendegebiets unterwegs. Die Chormitglieder haben Menschen vor Ort, ob nach Hoch­zeiten vor Standesämtern oder auf Balkonen in Hinterhöfen mit ihrer Musik direkt erreicht, überrascht und zu Tränen gerührt“. Der Chor war also „coronakonform unterwegs“ – wörtlich genommen „in Einklang mit“ oder „angepasst an“ COVID-19, was eine missverständliche Formulierung zu sein scheint, die besagen soll, dass „in Einklang mit“ oder „angepasst an“ die damals geltenden Regeln zum Zweck der Eindämmung der Coronapandemie gehandelt wurde. Was genau es bedeutet, dass die Quartette „unterwegs“ waren, soll sich wohl aus dem Kon­text erschließen – es liegt nahe, dass die Sänger:innen in irgendeiner Form konzertiert ha­ben, denn Aufnahmen hätten sie in den bereits erwähnten Sendesälen und Studios machen können. Dabei haben die Sänger:innen Menschen „vor Ort“, also unmittelbar an einem be­stimmten Ort, nicht etwa nur indirekt z.B. über eine Radiosendung, erreicht sowie „über­rascht und zu Tränen gerührt“. Die Überraschung, die auch negativ konnotiert sein könnte, soll hier wohl etwas Positives ausdrücken, die Tränen sollen wohl eine besonders intensive Form der Rührung oder Ergriffenheit beschreiben. Jemanden zu rühren scheint auch ver­wandt mit „be­rühren“, „anfassen“, jemandem „nahekommen“ – die Nähe zwischen Men­schen scheint hier wichtig und positiv bewertet. Die Angabe von Beispielen für die Örtlich­keiten, an denen solche Be­gegnungen zwischen Chorsänger:innen und Zuhörenden stattfan­den, spricht dafür, dass dies keine alltäglichen Orte sind, an denen Chorsänger:innen agieren – zum Ausdruck gebracht wird, dass Mitglieder von Rundfunkklangkörper während der Pan­demie ihren gewohnten Aufgabenbereich überschritten und ihre gewohnten Örtlichkeiten ver­lassen haben.
Mit dem folgenden Satz beginnt ein neuer Absatz. Die Rede ist nun von „Klangkörper[n] und Kulturwellen“ – mit „Kulturwellen“ sind vermutlich Radiosender gemeint, deren Inhalte „Kultur“ sind und die die von den Rundfunkklangkör­pern produzierten In­halte verbreiten. Es schwingt eine Abgren­zung zu Sendern mit, die keine „Kultur“ senden, deren Inhalte vielleicht mehr aus populärer Musik bestehen. Sowohl diese „Kulturwellen“ als auch die Rundfunk­klangkörper beteiligen sich laut dem Papier „unter wechselseitiger Federführung einer Anstalt an einer bundesweiten ‚Experi­ment‘-Woche, die einem Komponisten und seinem Werk ge­widmet ist“. Dies scheint ein wei­teres Beispiel für eine Aktivität der Klangkörper zu sein, die den Verfasser:innen eine beson­dere Erwähnung wert ist. Vielleicht, weil die „‚Experiment‘-Woche“ „bundesweit“, also deutschlandweit und damit groß angelegt ist – dies soll mögli­cherweise als Zeichen für Qua­lität oder besonde­res Engagement verstanden werden. Eine „‚Experiment‘-Woche“ scheint et­was Außergewöhnliches darzustellen: Experimente, die nur in einer bestimmten Woche statt­finden. Welcher Art diese Experimente sind, scheint den Ver­fasser:innen nicht erklärungsbe­dürftig, jedoch erläutern sie, dass die Woche „einem Kompo­nisten und seinem Werk gewid­met“ sei. Mit „Komponist“ ist hier wohl ein Komponist klassi­scher Musik gemeint – Kompo­nist:innen anderer Stilrichtungen wären vielleicht als Songwri­ter:innen o.ä. bezeichnet wor­den. Die Autor:innen verwenden hier nur die männliche Form, vermutlich zu verstehen als generisches Maskulinum – dessen ausschließliche Verwen­dung lässt im Jahr 2023 womöglich auf ein höheres Alter oder eine tendenziell konservative Ein­stellung der Verfasser:innen schließen; oder das Gendern in Texten spielt in der Lebens­praxis der Verfasser:innen aus an­deren Gründen keine oder eine geringe Rolle; vielleicht fin­den aber auch tatsächlich keine Komponistinnen in der „Experiment-Woche“ Beachtung. Das „Werk“ des Komponisten meint hier wohl die Gesamtheit seiner Werke, also ein Gesamtwerk oder Lebenswerk. Im folgenden Satz werden Beispiele von Komponisten genannt, denen be­reits „‚Experiment‘-Wochen“ gewidmet worden seien: Vivaldi und Händel, beides männliche Kompo­nisten des 17./18. Jahrhunderts, die als Teil des Kanons betrachtet werden können und de­ren Namen einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein dürften – Gleiches gilt für Beethoven, dessen „Experi­ment“ in einem ihm zugeordneten „Beethoven-Jahr 2020“ stattgefunden habe. Was ein Beet­hoven-Jahr ist, erklären die Autor:innen nicht; sie scheinen also davon auszuge­hen, dass die Leser:innen wissen, dass 2020 das 250. Geburtsjahr Beethovens mar­kierte. Als weite­res Beispiel wird außerdem „2023 das Ligeti-Experiment“ benannt; György Ligeti war ein Komponist des 20./21. Jahrhundert, der sicherlich weniger Teil eines bekann­ten „Kanons“ ist als die zuvor ge­nannten. Die Verfasser:innen scheinen hier dennoch davon auszugehen, dass Ligeti den Lesenden ein Begriff ist, denn es werden keine weiteren Infor­mationen zu dessen Person gegeben. Es fällt auf, dass im Wortlaut des Papiers „2023 das Ligeti-Experi­ment“, da­gegen „2020 ein Beethoven-Experiment“ (Hervorhebungen K.C.) statt­gefunden hat – es scheint als wären Ligeti-Experimente im Vergleich zu Beethoven-Experim­enten seltener oder das genannte sogar singulär. Viel­leicht wird das Ligeti-Experiment mit dem Hinterge­danken erwähnt, auch Menschen mit Expert:innenwissen davon zu überzeugen, dass die „‚Experi­ment‘-Wochen“ sinnvoll, gut oder wichtig seien und die Beteil­igung der Rundfunk­klangkörper an der Aktion lobenswert sei.
Neben die „Klangkörper[abteilungen]“, also Divisionen innerhalb von hier nicht benann­ten, aber vermutlich als Rundfunkanstalten zu verstehenden Organisationen, die die Ensem­bles beinhalten, treten im folgenden Satz als weitere Akteur:innen „Musikvermittlungsabtei­lungen“. Es scheint in den Rundfunkanstalten also Abteilungen zu geben, die etwas „vermit­teln“, verständlich machen, jemandem nahe bringen. Mit „Musikvermittlung“ ist wohl weni­ger Vermittlung durch Musik – zwei Konfliktparteien durch gemeinsa­mes Musizieren einan­der näher bringen – gemeint als die Vermittlung von Musik – den Gegenstand Musik erklären, verständ­lich machen, jemandem nahe bringen. Dass es derartige Musikvermittlungsabteilun­gen gibt, scheint zunächst nicht selbstverständlich; jedoch geben die Verfasser:innen des Po­sitionspapiers keine Erläuterung dazu, warum Musik vermittelt werden müsste. Es scheint als bekannt vorausgesetzt zu werden, dass zwi­schen der Musik und ihrem Publikum eine Kluft bestehe, die überbrückt werden müsse – in ausreichend regelmäßigen Fällen, dass zu diesem Zweck eigene Abteilungen eingerichtet worden sind. Diese beiden Abteilungen „organisie­ren“ etwas, sind also aktiv und planerisch tätig, „in ihren Sendegebieten“, also in einem ge­wissen der je­weiligen Rundfunkanstalt zugeordneten Raum, aber dennoch „großflächig“, auf großer Flä­che, mit großer Ausdehnung. Dass die „Schulkooperationen und -workshops“, die organisiert werden, sich immer noch auf die im vorigen Satz beschriebenen „‚Experiment‘-Wochen“ be­ziehen, erschließt sich erst aus dem Zusatz „zum Jahres-Thema“, der sich sinn­vollerweise nur auf das Thema einer „‚Experi­ment‘-Woche“ in einem bestimmten Jahr bezie­hen kann. Was mit den Workshops oder Ko­operationen, die mit oder an Schulen durchgeführt werden, genau gemeint ist, erklären die Autor:innen des Papiers nicht – es scheint ihnen aus­reichend infor­mativ gewesen zu sein, dass die Klangkörper und Musikvermittlungsabteilun­gen etwas an oder mit Schulen machen. Dass sich mit Schulen, also mit Kindern und Jugend­lichen, in ir­gendeiner Weise beschäftigt wird, scheint als positiv betrachtet zu werden. Zudem werden die Ergebnisse „öffentlich prä­sentiert“, also vor einer größeren Grup­pe Menschen als den unmittelbar Beteiligten gezeigt oder vorgeführt – im engeren Sinn könnte eine öffentliche Präsentation auch ein Zugänglich­machen für alle bedeuten. Dies erin­nert daran, dass bereits zuvor Barrierefreiheit und direkte Zugänglichkeit als positive Aspekte eingeführt wurden. Dass diese Ergebnisse zu dem „im Kulturprogramm gespiegelt werden“, ist wiederum eine sehr vage Aussage – es wird nicht spezifiziert, was „spiegeln“ oder „Kulturprogramm“ be­deutet. Der Zusammenhang lässt zu­mindest die Vermu­tung zu, dass das Programm von Rund­funksendern gemeint ist, die „Kul­tur“ im Gegensatz zu populären Inhalten senden.
Der nächste Satz, „Hier werden vor allem jugendliche Hörer:innen erreicht und gebun­den“, untermauert die These, dass Kinder und Jugendliche als eine besonders relevante Perso­nengruppe betrachtet werden, die nicht nur in irgendeiner Form „erreicht“, sondern auch „ge­bunden“ werden sollen. Woran die Jugendlichen „gebunden“, gefesselt, angehängt, verbun­den werden sollen, müssen sich die Lesenden selbst erschließen – es liegt nahe, dass eine Bindung an die Rundfunkanstal­ten gemeint ist, die sich auf regelmäßigen Konsum von deren Inhalten bezieht, denn einen physischen Zwang üben die Rundfunkanstalten wohl nicht aus. Es fällt zudem auf, dass die „Hörer:innen“ hier gegendert sind. Möglicherweise wollten die Autor:innen damit bewusst ausdrücken, dass der Begriff „Jugendliche“ sich im Jahr 2023 ge­nerell auf Menschen diverser Ge­schlechtsidentitäten beziehen soll, wohingegen „Komponis­ten“ klassischer Musik, v.a. solche, die sich einem Kan­on zuordnen ließen, tatsächlich meist männlich sind – vielleicht ist die Uneinheitlichkeit auch unbe­wusst zustande gekom­men, was an der Interpretation keinen allzu großen Unterschied ma­chen sollte.
Mit dem folgenden Satz führen die Verfasser:innen erstmals Antago­nist:innen ein: „Jede weitere Kürzung von Angeboten im Bereich von Kultur und Bildung lie­fert den Gegnern ei­nes beitragsfinan­zierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks Argumente frei Haus“. Dass einem Gegner, einem Feind, etwas „frei Haus“, also kostenlos, geliefert werden sollte, scheint nicht erstrebenswert; hier wird also vor etwas gewarnt, nämlich vor „jede[r] weitere[n] Kürzung von Angeboten im Bereich von Kultur und Bildung“. Durch „weitere“ wird angezeigt, dass es bereits Kürzungen gegeben habe. Ob eine Kürzung etwa eine zeitli­che Verkürzung oder eine Verringerung der Anzahl von Angeboten meint, muss in den Augen der Autor:innen hier nicht näher erläutert werden[2]. „Angebote[] im Bereich von Kultur und Bildung“ könnte sich auf die zuvor genannten Beispiele und ähnliche beziehen. Das Objekt der Gegnerschaft ist der Rund­funk, jedoch nicht grundsätzlich, sondern spezifisch in der „bei­tragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen“ Form. Die Formulierung „eines [nicht „des“] bei­tragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ lässt vermuten, dass die Gegner­schaft sich nicht auf einen bestimm­ten (z.B. den deutschen) Rundfunk, sondern grundsätzlich auf das Kon­zept eines Rundfunks richtet, der öffentlich und durch Beitragszahlungen finanziert ist. Die Verfasser:innen erklä­ren nicht, warum Kürzungen der Angebote des Rundfunks des­sen Geg­ner:innen „Argumente frei Haus [liefern]“, also ihnen Ideen geben würden, die deren Position untermauerten.
Als solle jeglicher Eindruck von Feindseligkeit gegenüber einer Gruppe (den Gegnern des Rundfunkbeitrags) sogleich wieder abgemildert werden, scheint der nächste Satz einen ver­söhnlichen Ton anzuschlagen: „Es geht nicht dar­um, Kultur und Bildung gegen Sportbericht­erstattung oder Unterhaltung auszuspielen. Es geht vielmehr darum, die originären Wurzeln und Stärken des öffentlich-rechtlichen Rund­funks zu stärken“. Dass es „nicht darum [geht], Kultur und Bildung gegen Sportberichterstat­tung oder Unterhaltung auszuspielen“, zeigt er­neut, dass der Kulturbegriff der Verfasser:in­nen eher eng zu sein scheint und möglicherweise einer Idee von „Hochkultur“ entspricht, denn „Sportbericht­erstattung oder Un­terhaltung“ so­wie Bildung könnten auch durchaus zur Kultur gezählt wer­den. Einerseits sehen die Verfas­ser:innen also Kultur und Bildung nicht auf einer Ebene mit Sport und Unterhaltung, anderer­seits scheinen sie einen Vorwurf vorwegnehmend entkräften zu wollen: offenbar liegt es nahe, dass verschiedene Bereiche des Rundfunkprogramms – Sportberichterstattung und Un­terhaltung finden ebenfalls über Rundfunksender statt – dazu einladen, gegeneinander ausge­spielt zu werden, oder dass dies in der Vergangenheit bereits passiert ist.
Laut den Autor:innen geht es „vielmehr darum, die originären Wurzeln und Stärken des öf­fentlich-rechtlichen Rundfunks zu stärken“. Der Begriff „originär“, der als „ursprüng­lich“, aber auch „schöpferisch“ oder „eigenständig“ verstanden werden kann, wurde bereits zuvor erwähnt. „Wurzeln“ bezeichnen die Teile eines (Pflanzen-)Körpers, die in der Erde sind, Halt geben, Nährstoffe aus dem Boden ziehen; im übertragenen Sinne sind Wurzeln als Ursprünge zu verstehen. „Originäre Wurzeln“ wäre also ein redundanter Ausdruck: ur­sprüngliche Wur­zeln, ein ursprünglicher Ursprung. Auch sind die Wurzeln wohl kaum schöp­ferisch oder krea­tiv tätig, was auf die Bedeutungsvariante der Eigenständigkeit schließen lässt. Der Rundfunk hat laut den Verfasser:innen also eigenständige, besondere, einzigartige Wurzeln, die es zu stärken gilt. Dass auch die „Stärken“ gestärkt werden sollen, provoziert die Frage, ob diese „Stärken“ wirklich so stark sind. Was die Wurzeln und Stär­ken des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausmacht, wird nicht genauer erläutert.
Mit der folgenden Zwischenüberschrift werden zwei neue Begriffe eingeführt, die den Au­tor:innen des Positionspapiers vermutlich wichtig oder aufschlussreich erschienen: „Exzel­lenz“, der Besitz von herausragenden Qualitäten oder Fähigkeiten, und „Strahlkraft“, ein star­kes Licht oder auch eine Macht, und zwar „internationale“ – etwas leuchtet also über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus.
Der folgende Satz handelt von einem „Streben nach Exzellenz“, das „ein wesentliches Qualitätsmerkmal“, also eine unver­zichtbare, das Wesen betref­fende Eigenschaft nicht nur ei­niger, sondern „aller Rundfunkklangkörper“ sei – dies auch nicht erst seit gestern, sondern „von An­fang an“, schon immer. Es wird also nicht behauptet, die Klangkörper seien exzel­lent, son­dern lediglich, dass sie zeit ihres Bestehens nach Exzellenz trachteten. „Streben“ im­pliziert Ehrgeiz und einen starken Willen, besonders in Kombination mit „Exzellenz“: die Klangkörper sind nicht nur bestrebt, gut oder ausreichend zu sein, sondern wollen herausra­gend sein.
„Nur so“, mittels des Strebens nach Exzellenz, könne „Top-Qualität im Studio, auf dem Konzertpodium und bei Live-Übertragungen ge­währleistet werden“. „Top-Qualität“ bezeich­net die oberste, beste, Spitzen-Qualität – für sich genommen scheint der Begriff in ei­nen Zu­sammenhang von Werbung als Anpreisung eines Produktes, eines Gegen­standes oder einer Dienstleistung zu passen, gerade in Kombination mit „gewährleisten“. Was Top-Qualität für einen Rundfunkklangkörper bedeutet, wer über diese bestimmt, woran sie sich bemisst, wird hier nicht erklärt. Dass an dieser Stelle erneut die Betätigungsformen eines Rundfunkklang­körpers aufgezählt werden – „im Studio, auf dem Konzertpodium und bei Live-Übertragun­gen“ – erscheint zunächst überflüssig, da die Lesenden in vorherigen Textab­schnitten bereits mit diesem Aufgabenbereich vertraut gemacht worden sind. Doch of­fenbar war es den Verfas­ser:innen wichtig zu explizieren, dass Top-Qualität in allen Teilberei­chen des Aufgabenge­biets erreicht wird – oder erreicht werden soll, denn die Formulierung „nur so kann Top-Qua­lität […] erreicht werden“ sagt nichts darüber aus, ob diese Qualität tat­sächlich er­reicht wird oder ob die Klangkörper dies mittels ihres Strebens nach Exzellenz le­diglich ver­suchen. Im hinteren Satzteil geben die Autor:innen noch eine Information zu Be­deutung der „Top-Quali­tät“: auf dieser bestünde eine bestimmte Gruppe von Menschen, die „Beitrags­zahlenden“, und zwar „zurecht“. „Beitragszahlende“ sind im Kontext dieses Positi­onspapiers all jene Menschen, die den Rundfunkbeitrag zahlen, also Einzelpersonen oder Haushal­te, aber auch Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht aus be­stimmten Gründen von der Beitragspflicht befreit sind. Dass die nachdrückliche Forderung nach Top-Qualität von diesen Personen „zurecht“ gestellt werde, also mit Recht oder aus gu­ten Gründen, lässt darauf schließen, dass die Verfasser:innen der Ansicht sind, wer Geld für et­was bezahle, solle keine schlechte Qualität erhalten, oder wer vom Staat verpflichtet werde, einen Beitrag zu zahlen, dürfe Forderungen aufstellen. Menschen, die etwas bezahlen, wird also implizit eine gewisse Macht zugesprochen in Form des Rechts, etwas einzufordern. Zu­sätzlich sei den Beitragszah­lenden noch etwas erlaubt: sie „dürfen“ auf die Top-Qualität „ver­trauen“, sich auf sie verlas­sen, sich ihrer sicher sein. Mit welcher Autorität die Verfasser:in­nen dies äußern, wird nicht deutlich – ob die Bei­tragszahlenden auf die Qualität vertrauen dürfen, weil sie zahlen und da­durch eine An­spruchshaltung einnehmen dürfen; oder ob die Autor:innen mit ihrem Verband und den durch sie vertretenen Musiker:innen für die Top-Qualität garantieren und die Bei­tragszahlenden ih­nen dafür ihr Vertrauen schenken, sich auf sie verlassen „dürfen“.
Im folgenden Satz führen die Verfasser:innen einen weiteren Grund an, warum Top-Quali­tät wichtig für die Rundfunkklangkörper ist: „Und nur durch Top-Qualität bleiben die Klang­körper attraktiv“ – sie sind also in der Sicht der Verfasser:innen aktuell schon in irgendeiner Weise anziehend, müssen aber etwas darauf achten, es auch zu bleiben; und zwar in diesem Satz nicht mehr für Publikum oder Beitragszahlende, sondern für eine weitere Personengrup­pe: „für den musikalischen Spitzennachwuchs“. Der Begriff „Spitzennach­wuchs“ erzeugt die Assoziation von Leistungssport, „Spitzensport“ ist eine geläufige Be­zeichnung. Eine „Spitze“ als Gruppe von beson­ders guten, talentierten, professionellen Perso­nen steht einer „Breite“ von weniger guten oder ambitionierten Personen oder Laien gegen­über. „Nachwuchs“ erin­nert für sich genommen an Tiere, die Junge gebären; im engeren Wortsinn bezeichnet der Be­griff etwas, was nachwächst, frische Triebe bringt, eventuell Altes ersetzt. Für diesen „Spit­zennachwuchs“ wollen die Klangkörper laut dem Positionspapier „entweder als Arbeitgeber oder als Ausbildungsstätten in eigenen Orchester- und Chorakade­mien“ attraktiv bleiben. Die Orchester können dem Spitzennachwuchs also Arbeit – Ar­beit hier wohl im Sinne von be­zahlter Lohnarbeit – „geben“; sie überreichen, bieten ihnen also et­was. Alternativ können sie die Stätten der Ausbildung des Spitzennachwuchses sein – nicht nur für den Nachwuchs im Allgemeinen, sondern für die Besten des Nachwuchses.
Im folgenden Satz wird etwas über „die Exzellenz“ ausgesagt, nämlich dass sie etwas „prägt“ – „prägen“ lässt zunächst an Metall oder Münzen denken, auf die etwas eingedrückt wird; die Exzellenz scheint also irgendeine Art von Eindruck zu hinterlassen: sie „prägt auch die internationale Konkurrenzfähigkeit und Strahlkraft aller Rundfunk­klangkörper“. Das „auch“ deutet darauf hin, dass bereits das im vorigen Satz beschriebene „Streben nach Exzel­lenz“ der Klangkörper so verstanden wird, dass die Exzellenz ein prägen­der Faktor ist. Was auch in der zweiten Satzkonstruktion nicht deutlich wird, ist, ob die Klangkörper nun tatsäch­lich exzellent sind oder ob sie lediglich eine vage Idee von Exzellenz haben, die ihnen als Ziel vorschwebt oder die sie in einer unbestimmten Weise beeinflusst. Dass die Exzellenz die „internationale Konkurrenzfähigkeit und Strahlkraft aller Rundfunk­klangkörper“ beeinflusse, sagt vorerst auch nichts darüber aus, was diese Begriffe bedeuten – mit wem die Klangkörper in Kon­kurrenz stehen (ähnlichen Klangkörpern oder anderen Arten von Ensembles bzw. Mu­sikstilen, anderen Medieninhalten wie Sportberichterstattung?) oder worum sie konkurrieren (um Geld, Ansehen, Einfluss oder die besten Nachwuchstalente?). Dies wird jedoch im zwei­ten Satzteil näher erläutert: „die sich in Einladungen zu bedeutenden Musikfestivals, umju­belten Konzer­ten auf Gast­spielen und dem Erhalt begehrter Auszeichnungen wie z.B. den Grammys doku­mentiert“. Internationale Kon­kurrenzfähigkeit und Strahlkraft werden hier zu einer Einheit, die aktiv etwas tut: sie doku­mentiert sich, protokolliert, speichert sich – sie wird in irgendeiner Form fixiert und überprüf­bar gemacht und kann einer Beweisführung die­nen. Diese Beweisstücke sind nun zunächst „Einladungen zu bedeutenden Musikfestivals“ – nicht etwa „Auftritte auf“, sondern „Einla­dungen zu“; den Verfasser:innen scheint es wichtig zu sein, dass die Klangkörper gebeten wer­den, auf den Musikfestivals aufzutreten, und zwar nicht nur auf irgendwelchen Festivals, son­dern auf „bedeu­tenden“. Die Verfasser:innen unter­stellen den Leser:innen offenbar ein Wis­sen darüber, was bedeutende Festivals sind und war­um sie so bedeutend sind. Ferner do­kumentierten sich internationale Konkurrenzfähigkeit und Strahlkraft in „umjubelten Konzer­ten“: um die Konzerte (herum), also vermutlich auf den Konzerten, wird gejubelt, was ein be­sonderer Ausdruck von Gefallen zu sein scheint, stärker als Applaus oder Beifall, der im ritua­lisierten Ablauf eines klassischen Konzerts an bestimm­ten Stellen zu erwarten ist. Dieser Jubel wird den Ensembles speziell „auf Gastspie­len“ zuteil, wenn sie also irgendwo zu Gast, nicht „zu Hause“ sind, an anderen Orten als de­nen ihres täg­lichen Wirkens. Dies soll mögli­cherweise als Beleg dienen, dass die Klangkörper auch außerhalb ihrer Sendegebiete beliebt sind. Als weiterer Beleg für die Konkurrenzfähig­keit der Klangkörper dient der „Erhalt be­gehrter Auszeichnungen“; scheinbar haben die En­sembles schon mehr als einmal eine Aus­zeichnung erhalten, die auch andere begehren und die dadurch einen Wert erhält. Als Beispiel für eine solche Auszeichnung werden die „Gram­mys“ genannt, die auch für populäre Musik verliehen werden und dadurch vielleicht auch Le­ser:innen bekannt sind, die sich mit dem Re­pertoire der Rundfunkklangkörper weni­ger aus­kennen – jedenfalls scheinen die Verfasser:in­nen keine weitere Erläuterung zu den Grammys für nötig gehalten zu haben. Dieser Satz setzt insgesamt vieles voraus, in erster Linie geteilte Kriterien für Prädikate wie „exzel­lent“, „bedeutend“, „begehrt“; die Kriterien werden nicht erläutert, jedoch geben „umjubelt“ und „Einladungen“ Hinweise auf zugrundeliegende Maß­stäbe: gewisse Menschen (das Publikum, Festival-Intendant:innen) oder Gruppen (Jury der Grammys) scheinen die Klangkörper für gut (eines Preises, des Jubels oder der Ehre eines Platzes im Festivalpro­gramm würdig), vielleicht auch nützlich (um Publikum zum Festival zu bringen) zu halten. Was diesen Menschen die Fähigkeit oder Autorität verleiht, die Qualität der Klangkörper zu beurteilen, wird nicht erläu­tert.
Im darauffolgenden Satz wird wieder eine Aussage über die Exzellenz getroffen, in diesem Fall darüber, was sie „bedeutet“ – die Autor:innen scheinen nun erklären zu wollen, was mit „Exzellenz“ gemeint ist. Laut ihnen bedeutet Exzellenz „auch, dass Rundfunkensembles zur Mitwirkung bei anderen Spitzenklangkörpern verpflichtet werden“. Das „auch“ könnte mei­nen, dass einige andere Bedeutungen von Exzellenz schon geklärt seien – viel­leicht sind hier die Dinge gemeint, die von der Exzellenz „geprägt“ sind („internationale Konkurrenzfähig­keit und Strahlkraft“) – oder es ist zu verstehen als „unter anderem“. Dass die Klangkörper „zur Mitwirkung verpflichtet“ würden, klingt zunächst nach einem Zwang oder zumindest Fremdbestimmung; im Kontext Musik ist die Rede von einer „Verpflichtung“ jedoch oft posi­tiver konnotiert: wenn etwa ein:e Sänger:in für die kommende Spielzeit am Staatstheater ver­pflichtet wird, kann dies als Leistung oder Errungenschaft verstanden werden. Dass die Ver­fasser:innen von „anderen Spitzenensembles“ sprechen, drückt aus, dass sie die Rundfunken­sembles ebenfalls für solche Spitzenensembles halten. Als Beispiele werden der Rundfunk­chor Berlin, ein Rundfunkklangkörper, sowie die Berliner Philharmoniker genannt, bei denen es sich offenbar um einen der „anderen Spitzenklangkörper“ handele. Die Sinnstruktur aus dem vorigen Satz scheint sich hier zu festigen: wenn andere Menschen (Orchestermitglieder, Intendant:innen, Dirigent:innen), die ein hohes Ansehen oder einen ex­zellenten Ruf besitzen, einen Rundfunkklangkörper „verpflichten“, also mit ihm zusammenar­beiten, dann bedeutet das, dass die­se Menschen den Rundfunkklangkörper gut finden – was wiederum bedeutet, dass der Klangkörper ebenfalls exzellent ist. Wieder werden darüber hinaus keine genaueren Kriterien angegeben.
In fetter, kursiver Schrift und durch einen farbigen Kasten hervorgehoben erscheint nun der Satz: „Exzellenz ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal aller Rundfunkklangkörper“. Be­merkenswert ist hier, dass der Satz zuvor im Text mit einem Unterschied vorgekommen ist: zuvor hieß es, das „Streben nach Exzellenz“ (Hervorhebung K.C.), sei wesentlich für die Klangkörper. Laut diesem hervorgehobenen Satz bemühen sich die Rundfunkklangkörper nicht nur um Exzellenz, sondern sind es auch, und zwar ausnahmslos „alle“. Die Verfasser:in­nen stellen also in der Überschrift eine noch selbstbewusstere Behauptung auf.
Es folgt eine Zwischenüberschrift mit dem Wortlaut: „Einzigartige Vielfalt durch musikali­sche Breite und Spezialisierung“. Es soll nun also um eine „Vielfalt“, eine Mannigfaltigkeit oder einen Abwechslungsreichtum, gehen, die „einzigartig“, einmalig, besonders ist. Diese Mannigfaltigkeit an Dingen, die so nur einmal vorkommt, soll sich „durch“ ein Gegensatz­paar aus „musikalische[r] Breite und Spezialisierung“ ergeben. „Breite“ meint für gewöhnlich eine horizontale Ausdehnung – da Musik immateriell ist und keine Ausdehnung hat, ist hier wohl etwas im übertragenen Sinne gemeint: eine breite Aufstellung oder große Verbreitung von etwas. Eine „Spezialisierung“ dagegen legt den Fokus auf etwas Bestimmtes, beinhaltet ein Expertentum oder großes Wissen über etwas, fokussiert sich im Gegensatz zur „Breite“ auf Weniges. Die Kombination aus sowohl Breite als auch Spezialisierung soll also laut den Verfasser:innen zu einer Vielfalt führen, die es nur einmal gibt.
Im folgenden Satz erfahren die Leser:innen, dass „[a]lle Rundfunkklangkörper […] an ihren jeweiligen Standorten und in den regionalen Sendegebieten […] verwurzelt und ver­netzt“ seien. Sie sind „verwurzelt“, also mit der Erde verbunden, sicher stehend, Nährstof­fe aus der Erde zie­hend, womit sie auch von der Umgebung zehren, sowie „vernetzt“, verbun­den über zahlreiche Wege, Seile oder Fäden. Beide Begriffe erzeugen Bilder von (Stand-)Fes­tigkeit und Sicherheit. Verwurzelt und vernetzt seien die Klangkörper an „ihren jeweiligen Standorten“, jedem Klangkörper ist also ein Ort des Stehens zugeordnet. Die Wur­zeln und Netze der Klangkörper reichen jedoch darüber hinaus in die „regionalen Sendege­biete[]“ hin­ein. Dies sei „seit vielen Jahr­zehnten“ der Fall, also nicht nur seit „wenigen“ oder „einigen“ Jahrzehnten, sondern seit lan­ger Zeit. Vielleicht ist dies lediglich eine beschreibende Aussage, vielleicht stellt regionale Verbundenheit für die Verfasser:innen auch etwas Erstrebenswertes dar.
Des weiteren geben die Autor:innen Informationen über die Tätigkeiten der Klangkörper: zunächst ist die Rede von „den genrespezifischen Konzertangeboten einer musikalischen ‚Grundversorgung‘“, was die Frage aufwirft, ob es in der musikalischen Grundversorgung genrespezifisch zugehen muss oder Genres­pezifizität in diesem Bereich die Regel ist. Ein „Genre“ bezeichnet eine Art, Unterart oder einen Stil; „genrespezifische Konzertange­bote“ scheinen sich also auf einen bestimmten Stil zu beziehen oder innerhalb eines bestimm­ten Stils zu verbleiben. Die Rede ist hier von „Konzertangeboten“, nicht tatsächlich stattfinden­den Konzerten; die Klangkörper machen also ein Versorgungsangebot, das nachgefragt wer­den kann. „Neben“, außer diesen Konzertangeboten „entwickeln die Klangkörper“ etwas „weiter“, sie nehmen also etwas, was bereits besteht, und führen es auf dem Weg seiner Ent­wicklung weiter, verändern es oder verbessern es: näm­lich „eigene innovative Projekte und Formate“. „Projekte“ können Unternehmungen oder Vorhaben aller Art sein; „Formate“ be­zeichnet zunächst die Maße oder verschiedene Formen von etwas, bezieht sich aber im Kon­text dieses Papiers mit einiger Wahrscheinlichkeit auf „Sendeformate“, also Arten von Inhal­ten, die vom Rundfunk gesendet werden. Über diese „Projekte und Formate“ erfahren die Le­ser:innen nur, dass es „eigene“ seien, dass sie den Klangkörpern also in irgendeiner Form be­reits gehören, bevor sie von ihnen weiter­entwickelt werden – vielleicht in dem Sinn, dass die Klangkörper sie erfunden haben, oder dass sie den Klangkörpern speziell zugewiesen wurden – sowie, dass sie „innovativ“ seien, also etwas Neues einführen oder etwas Bestehendes er­neuern. Die Klangkörper „setzen damit […] neue Standards“; sie können also laut den Ver­fasser:innen neu „setzen“, festlegen, postulieren, was der „Standard“ ist, was üblich ist, was normal ist, was man erwarten kann. Diese Standards gälten „für den Rundfunk selbst, aber auch für die Mu­sikszene“ – die Klangkörper setzten die Standards also für sich selbst sowie für andere, näm­lich jene, die der „Musikszene“ angehören. „Musikszene“ scheint ein sehr umfassender Be­griff zu sein, da auch Stilrichtungen impliziert sein können, die im Repertoire der Rundfunko­rchester, -bigbands und -chöre in der Regel nicht repräsentiert sind, etwa Volksmusik, Hip-Hop oder elektronische Musik. Ob ein:e Straßenmusiker:in oder ein:e Pro­duzent:in elektronis­cher Musik sich tatsächlich an Standards orientiert, die ein Rundfunk­klangkörper setzt, scheint fraglich. Der Satz ist an sich beschreibend, es wird nicht erklärt, ob oder warum Inno­vationen und Neuerungen erstrebenswert seien.

5. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Begründung für die Notwendigkeit des Er­halts der Rundfunkklangkörper entlang einer Handvoll Argumentationsmuster verläuft, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Erfüllen eines Auftrags: Es gibt einen Auftrag, den die Klangkörper erfüllen sollen: den Kultur- und Bildungsauf­trag, der im Rundfunk- bzw. Medienstaatsvertrag rechtlich fixiert ist. Den Verfasser:innen scheint es wichtig zu sein, darzustellen, dass die Klangkörper ihrer Pflicht nachkommen und auch gegen Widerstände, z.B. während der Coronapandemie, alles dafür tun, den Auftrag zu erfüllen. Auch die Überschrift des Papiers, „#WirSindKulturauf­trag“, bezeugt, wie stark sich die Klangkörper offenbar mit dem Auftrag identifizieren.
Exzellenz: Der Begriff „Exzellenz“ wird sehr häufig verwendet, die Autor:innen scheinen deutlich machen zu wollen, dass die Klangkörper nicht nur einige unter vielen seien, sondern zu den Besten, Herausragendsten gehörten.
Ansehen: Die Autor:innen beschreiben immer wieder Beispiele von Beliebtheit oder Anse­hen, die die Rundfunkklangkörper unter anderen Personen oder Institutionen genössen – etwa der Ge­winn von Auszeichnungen, Jubel oder Tränen als Anzeichen des Gefallens oder der Rührung bei Auf­tritten der Klangkörper, die Zusammenarbeit mit anderen exzellenten Ak­teur:innen.
Normatives Kulturverständnis: Der Begriff Kultur wird im Positionspapier nicht definiert, scheint jedoch positiv besetzt zu sein. Es liegt offenbar ein normatives Verständnis von Kul­tur vor, das „auf einer wertenden Gegenüberstellung bzw. einer Auszeichnung bestimmter äs­thetischer Phänomene, Objekte und Praktiken, die in einer Gesellschaft hochge­schätzt und durch Traditionsbildung bewahrt werden“ (Nünning, o. J.) beruht. Sport und Unterhaltung scheinen etwa nach Sichtweise der Autor:innen nicht zum Bereich der Kultur zu gehören.
Kulturproduktion: Der Rundfunk gilt den Verfasser:innen als „Kulturproduzent“ – entspre­chend werden hin und wieder Produkte, im Sinne von nicht genauer definierten Projekten und Angeboten, aufgelistet, die der Rundfunk zur Verfügung stellt; ein gewisser Produktivismus scheint hier durch, wenn in der Argumentation allein die Tatsache zu genügen scheint, dass die Klangkörper verschiedene Dinge produzieren. Der Rundfunk tritt in dieser Argumentati­onslinie zudem als versierter marktwirtschaftlicher Akteur auf, der es versteht, seine Ware at­traktiv zu präsentieren.
Bildung und Nachwuchsförderung: Den Autor:innen scheint es wichtig, Beispiele dafür zu liefern, wie sich die Rundfunkklangkörper für Kinder und Jugendliche oder den „musikali­schen Spitzennachwuchs“ einsetzen. Bildung ist dabei einerseits Teil des Auftrags der Klang­körper, andererseits wird offensichtlich vorausgesetzt, dass den Leser:innen an musikalischer Nachwuchsförderung, die über den Schulunterricht hinausgeht, gelegen ist.
Einzigartigkeit, Tradition, Großräumigkeit: Alle drei Aspekte klingen im Positionspapier mehrmals in unterschiedlicher Form an. Dass die deutschen Rundfunkklangkörper auf ir­gendeine Weise weltweit einzigartig zu sein scheinen, dass sie seit geraumer Zeit bestehen, dass ihre Aktivitäten auch über die Sendegebiete hinaus und unter Umständen international stattfinden, scheint ihnen für die Autor:innen einen Wert zu verleihen, den sie vor den Leser:innen nicht genauer erläutern müssen. Es wird Einigkeit darüber vorausgesetzt, dass Einzigartiges erhalten wer­den solle, dass eine weit zurückreichende Ge­schichte ein Grund für die Notwendigkeit des Weitererhalts sei, dass internationale Bekanntheit für Qualität spreche.
Insgesamt berufen sich die Autor:innen also häufig auf mit den Lesenden geteiltes Regel­wissen. Es wird vorausgesetzt, dass etwa internatio­nales Ansehen als etwas Erstrebenswertes gilt, dass Einzigartigkeit einen Wert darstellt, dass Leser:innen mit den Begriffen „Kultur“ und „Bildung“ etwas verbinden, ohne dass die Verfasser:innen dies näher erklären müssten.
Besonders auffällig in seiner mangelhaften Erläuterung bei häufiger Erwähnung erscheint der Begriff der „Exzellenz“. Es werden zwar Belege dafür angeführt, dass die Klangkörper von anderen als exzellent betrachtet würden, aber es wird keine Erklärung gege­ben, was Ex­zellenz für ein Sinfonieorchester, eine Bigband oder einen Chor genau bedeutet. Es scheint auf den Berufsverband unisono ebenso wie auf das Feld der Bildung zuzutreffen, wenn Peter feststellt, Exzellenz ließe sich „als eine bildungspolitische Ratio rekonstru­ieren, in der sich ökonomische Rationalität, wettbewerbliche und stratifizierende Technologi­en und die Sub­jektbilder von High Potentials und Talenten zu einem dichten Gefüge aufein­ander verwiese­ner Elemente verbinden, das kaum noch hinterfragt wird“ (Peter, 2019, S. 25). Auch die Au­tor:innen des Positionspapiers scheinen Begriffe wie „Exzellenz“, „Top-Qualität“, „Spitzen­nachwuchs“, nicht zu hinterfragen, sondern als Teil einer allgemein zu verfolgenden Maxime zu akzeptieren.
Sofern davon ausgegangen werden kann, dass sich die Verant­wortlichen für die Finanzie­rung des Rundfunks in ähnlichen Sinnstrukturen bewegen wie die Autor:innen des Positions­papiers, mag das Papier als Verteidigung für die Notwendigkeit des Erhalts der Rundfunk­klangkörper zweckdienlich sein. Sollte das Posi­tionspapier dagegen auf eine Le­benswelt tref­fen, deren Regeln beispielsweise stärker von einer „schwar­zen Null“ im Bilanz­buch geprägt sind als von einem Leitbild wie Exzellenz oder Tradition, dann kann das Positionspapier bei genauerem Betrachten keine stichfes­ten Ar­gumente liefern, war­um etwa ein Sinfonieorches­ter, das sich nicht durch Ein­trittsgelder finan­zieren kann, des­sen Angebot also nicht auf aus­reichende Nachfrage trifft um sich selbst zu tragen, den­noch öf­fentlich finanziert werden soll. Und sollte sich das in Politik und Öffentlichkeit vorherrschende Kulturverständnis än­dern, wäre auch ein rechtlich fixierter „Kultur- und Bildungsauftrag“ kein Garant mehr für das Fortbestehen der Rundfunkklangkörper.
Die Frage, warum der Erhalt der klas­sischen Musik in Deutschland grundsätzlich wichtig ist und gefördert werden sollte, warum die Öffentlichkeit ein Interesse an derartigen Maßnah­men haben soll­te, wird also in diesem Posi­tionspapier nicht ausreichend beantwortet. Nur in sehr wenigen Fällen, wenn etwa von Rührung oder Begeisterung unter Zuhörer:innen die Rede ist, scheinen die Autor:in­nen überhaupt in den Blick zu nehmen, wie Musik, also das wesentliche „Pro­dukt“ der En­sembles, von Menschen aufgenom­men wird und was sie be­wirkt.
Möglicherweise ist die Frage nach der Bedeutung von klassischer Musik zu groß für ein Positionspapier, das sich mit der Bedrohung einer bestimmten Art von Klangkörper innerhalb be­stimmter Rahmenbedingungen auseinandersetzt. Jedoch wäre ein Verband wie unisono ver­mutlich in einer guten Position, um eine Debatte über dieses Thema anzustoßen, worin dieser Wert besteht und wie dieser einer Öffentlichkeit vermittelt werden kann, deren Interes­se an klassi­scher Musik sich im Rückgang zu befinden scheint. Würde diese Debatte in größerem Rahmen geführt, könnte sich dies nicht zuletzt auf die Situation der Verbandsmitglieder in vie­lerlei Hinsicht positiv auswirken.

 

[1] Der Satz wird im weiteren Verlauf des Textes wiederholt und durch fette und kur­sive Schrift in einem farbig hinterlegten Kasten hervorgehoben. Die Verfasser:innen scheinen ihn für besonders wichtig oder aussagekräftig zu halten, vielleicht bringt er etwas auf den Punkt, das ihnen wichtig ist.

[2] Das Thema Kürzungen wurde tatsächlich in einem früheren Teil des Positi­onspapiers be­reits genauer ausgeführt.

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